Organspender sind Helden – ehrenwerte Menschen, die zu Lebzeiten bereits über ihren Tod hinaus eine Entscheidung treffen, mit der sie Leben retten können. Allzu oft findet der Begriff des „Organspenders“ in der öffentlichen Diskussion um risikofreudige Motorradfahrer eine despektierliche und diffamierende Verwendung. In einem besonders dramatischen Fall wurde nun jedoch die eigene Namenswahl für einen jungen Fahrer auf tragische Weise zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung.
Er bezeichnete sich, in einer provokanten Mischung aus Sarkasmus und Selbstironie als „OrganspenderHD“ und betrieb unter diesem Namen mit zwei weiteren Fahrern einen YouTube-Kanal mit actiongeladenen Fahraufnahmen. Öffentliche Aufmerksamkeit erlangte dieser Videokanal durch das unfreiwillig komische Skandalvideo einer Polizeikontrolle am sogenannten „Schleizer Dreieck“. Einer temporären Rennstrecke in Thüringen, deren Wege außerhalb von selten gewordenen Motorsportveranstaltungen nun dem öffentlichen Straßenverkehr gewidmet sind. Das fragwürdige Verhalten zweier Streifenpolizisten wurde in den vergangenen zwei Monaten bereits über 350.000mal auf dem Videoportal betrachtet, fand rasend schnelle Verbreitung in sozialen Netzwerken und hatte die öffentliche Diskussion entfacht. (Weblink) Die öffentliche Aufmerksamkeit erbrachte dem 23-jährigen Studenten Orlando C. aus Jena eine gewisse Popularität bis hin zu einer großformatigen Berichterstattung im thüringer Regionalteil der Tageszeitung mit den vier Großbuchstaben. Selbst ein TV-Bericht soll in Vorbereitung gewesen sein, doch dazu wird es nun wohl nicht mehr kommen.
Am Nachmittag des 27. September verunglückte Orlando C. schwer auf der als „Hellefelder Höhe“ bei Motorradfahrern beliebten Kurvenstrecke der L839 zwischen Sundern und Ansberg - dem Herkunftsort des Studenten. Aufgrund eines Fahrfehlers bei wohl nicht angepasster Geschwindigkeit geriet er in einer Kurve auf die Gegenfahrbahn und kollidierte hier mit einem PKW. Die hierbei erlittenen Verletzungen waren so schwer, dass auch nach sofortigem Einsatz des Rettungshubschraubers in einer Spezialklinik nur noch der Tod des 23-jährigen festgestellt werden konnte. (Ausführlicher Bericht & Bilder)
Wieder einmal verlor ein junger Mensch sein Leben auf der Suche nach dem Kick und fragwürdigem Ruhm. Und wieder sind es verzweifelte Eltern, die ihr Kind zu Grabe tragen müssen. Ein Albtraum für jeden Vater und jede Mutter. Es bleibt nur die schmerzhafte Erinnerung an einen intelligenten, sympatischen Jungen mit Brille und Wuschelkopf. Die Videos der „OrganspenderHD“ hingegen sind derweil längst aus dem Internet verschwunden. Nach der öffentlichen Konfrontation mit der Polizei und dem Unfall eines anderen Fahrers aus dieser Gruppe wurden diese „sicherheitshalber“, so die Gruppenbetreiber in Facebook, entfernt.
Das soziale Netzwerk quillt derweil von Kondolenzeinträgen über. Vom einfachen „R.I.P.“, welches wahlweise als „Rest in peace“ oder „Ride in Paradise“ interpretiert wird, bis hin zu leeren Phrase „Nur die Besten sterben jung“. Wie mag sich das aus Sicht der Hinterbliebenen, echter Freunde und der Familie anfühlen? Wann wird man endlich verstehen, dass der Tod nichts heldenhaftes mit sich bringt – nur unendliche Trauer und Leere.